Rheinland: Räumung der alliierten Truppen

Rheinland: Räumung der alliierten Truppen
Rheinland: Räumung der alliierten Truppen
 
Neben der Frage der Reparationen hat kein aus dem Versailler Vertrag entstandener Problemkreis das deutsche Volk in den Zwanzigerjahren so permanent beschäftigt und in Unruhe versetzt wie die schmerzende Wunde der besetzten Rheinlande und die Frage ihrer vorzeitigen Räumung. Mit In-Kraft-Treten des Versailler Vertrages am 10. Januar 1920 waren die linksrheinischen Gebiete des Deutschen Reiches und die rechtsrheinischen Brückenkopf-Städte Köln, Koblenz und Mainz von französischen und britischen Truppen besetzt worden. Der Vertrag sah eine Besatzungszeit von 15 Jahren vor, die von den Siegermächten beliebig abgekürzt, aber auch verlängert werden konnte. Um diese Abkürzung der Besatzungszeit ging es vorrangig in allen Bemühungen des deutschen Außenministers Stresemann, seit er im Herbst 1923 - noch als Reichskanzler - den Kampf gegen die Ruhrbesetzung abgebrochen und den Weg zu einer neuen konstruktiven Verhandlungspolitik mit dem französischen Nachbarn eingeschlagen hatte. Noch während der Vorverhandlungen zur Konferenz von Locarno war die Besetzung des Ruhrgebietes beendet worden, fast gleichzeitig erfolgte die Freigabe der seit 1921 besetzten Städte Düsseldorf, Duisburg und Ruhrort. Mit dem Abschluss des Vertragswerkes von Locarno schien nun die Zeit dafür überreif zu sein, die Frage der vorzeitigen Räumung des Rheinlandes auf den Verhandlungstisch zu legen. Die deutsche Bevölkerung erwartete, dass nach dem im Locarno-Vertrag ausgesprochenen deutschen Verzicht auf eine Revision der Westgrenzen Frankreich sich nun geneigter zeigen würde, in dieser Frage dem deutschen Verlangen entgegenzukommen. Die erste Zone des Rheinlandes, die Kölner Zone, wurde tatsächlich noch vor Ende des Jahres 1925 geräumt, zu weiteren Zugeständnissen aber waren die französischen Politiker vorerst noch nicht bereit. Stresemann rang weiter mit allen seinen Kräften um die Freigabe des besetzten Gebietes. In dem geheimnisumwitterten Gespräch mit seinem französischen Amtskollegen Briand am 17. September 1926 in Thoiry wurde versucht, die vorzeitige Rheinlandräumung mit einer von Frankreich gewünschten vorzeitigen Ableistung der gesamten Reparationsschulden zu koordinieren. Der Plan ließ sich aus mehreren Gründen nicht verwirklichen, unter anderem auch, weil in Frankreich sich der Widerstand gegen eine vorzeitige Aufgabe der Besetzung versteifte, wozu nicht zuletzt die nationalistischen Töne der Stresemanns besonnene Politik verunglimpfenden politischen Rechten in Deutschland beitrugen. Erst auf der Völkerbundstagung im September 1928 boten Großbritannien und Frankreich die endgültige vorzeitige Räumung der Rheinlande an, wenn Deutschland der vorgesehenen neuen Regelung der Reparationsfrage im Youngplan zustimmte. Bis zum 30. Juni 1930 sollte die Freigabe des ganzen Rheinlandes beendet sein. Stresemann, bereits von einer schweren Krankheit gezeichnet, hat deshalb auf die Unterzeichnung des Youngplans gedrängt, der erst fünf Monate nach seinem Tod, am 12. März 1930, vom deutschen Reichstag angenommen wurde. Wie verabredet wurden die Rheinlande freigegeben, fünf Jahre vor der im Versailler Vertrag gesetzten Frist. Als Reichspräsident Hindenburg und Reichskanzler Brüning auf der Feste Ehrenbreitstein bei Koblenz die Befreiung der Rheinlande mit einem Festakt feierten, wurde in ihren Reden der Mann, der seit 1923 unermüdlich und tatsächlich bis zu seinem letzten Atemzuge um die Rheinlandräumung gekämpft hatte und dem die vorzeitige Freigabe zu verdanken war, nicht einmal erwähnt.

Universal-Lexikon. 2012.

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